diese Ameise ist für mich die Ameise mit der ungewöhnlichsten Lebensweise, der ich in Nordafrika bisher begegnet bin. Jedesmal stehe ich mit Verwunderung vor den Nestern, die manchmal mitten in feuchten, halbwegs trockengefallenen Salzlagunen und -seen angelegt sind. Gräbt man hier, stösst man bereits in weniger als 10 cm Tiefe auf brackiges Wasser, es ist ein Wunder, aber diese Ameisen legen ihre Nester hier an und verstehen es irgendwie, dabei sogar tiefergehende Gänge anzulegen. Manchmal im Jahr werden die Nester überflutet, dies überstehen nur die fortis. Auch andere Arten versuchen immer wieder, sich hier anzusiedeln, junge Gründerköniginnen finden sich auch hier von verschiedenen Arten, aber es gibt keine etablierten Nester anderer Arten hier, die diese Überflutungen mit Salzwasser überstehen. Die hohe Spezialisierung der Cataglyphis fortis ist fast ein Alleinstellungsmerkmal, die Biotope, die sie besiedelt, sind für die allermeisten Ameisen unbewohnbar und dauerhaft völlig unzugänglich. Lediglich in den höhergelegenen Randregionen der Biotope kommt es manchmal zu Begegnungen mit anderen Ameisenarten, die dann aber eigentlich immer friedlich sind und bei denen man sich ausweicht. Hier siedeln dann einige anspruchslose Messor-Arten, Tapinoma etc. und bis hierhin stossen natürlich die allgegenwärtigen Cataglyphis bicolor vor. Die fortis beschränken ihre Sammel- und Jagdtätigkeit dabei ausschliesslich auf die flachen Regionen und Uferstreifen der trockengefallenen Salzlagunen, nie stossen sie dabei in das vergetaionsreichere Umland vor.
Ein Nest der fortis inmitten einer Lagune, die mehrmals im Jahr geflutet wird. Im Aushub des Nestkraters die Gehäuse toter Meeresschnecken.


Was hier aussieht wie eine grosse Sandfläche im Hintergrund, ist der lehmig-tonige, feste Boden der Lagune. Er ist agegriffen von den Horden von Quad-Fahrern, die regelmässig hier durchsausen. Er sieht trocken aus, ist aber nur oberflächlich abgetrocknet.
Diese Ameisen legen bei der Jagd und beim Sammeln toter Insekten riesige Strecken zurück. Wir folgten heimkehrenden Jägerinnen über grosse Strecken und beobachteten Arbeiterinnen inmitten der Lagune, wo auf Sichtweite im weitem Umkreis kein Eingangskrater eines Nestes zu sehen war. Wahrscheinlich überwinden die Arbeiterinnen Strecken von mehreren hundert Metern, das alles sogar in überschaubaren Zeiträumen, denn sie sind verdammt schnell.
An den Nesteingängen herscht reger Verkehr. Ständig sieht man heimkehrende Sammlerinnen, die irgendwas Verwertbares, Fressbares gefunden haben in dieser scheinbar "leeren" Landschaft. Wir haben uns oft gewundert, denn wir fanden trotz Suchens kaum etwas, was für die Ameisen interessant erscheinen könnte. Und doch, diese Ameisen finden genug und haben den gesamten Lebensraum mit seinen Ressourcen für sich.
Angehörige verschiedener Kolonien begegnen sich friedlich im Freiland, Angehörige fremder Kolonien werden jedoch im Nest und in dessen unmittelbarer Nähe nicht geduldet und berharrlich verfolgt und bekämpft. Dies war ein Grund, warum heimkehrende Arbeiterinnen erstmal das Nest umkreisten und es prüften, sich vergewisserten, wirklich das Heimatnest erreicht zu haben. Ankommende werden im Nesteingang kontrolliert und begrüsst, Wachen stehen bereit und untersuchen jeden Ankömmling und dessen Ladung.
Hier ein Foto, dass ich schonmal hochgeladen habe, welches aber das Geschriebene nochmal ganz gut illustriert. Es zeigt eine Wächterin, die am Nesteingang verharrt. Meist sind dies alte, bereits verletzte Tiere, die physisch nicht mehr in der Lage sind, den anstrengenden Jagd- und Sammeldienst auszuführen. Diese alten Tiere übernehmen den nicht weniger riskanten Wachdienst.

Soweit für heute.
LG, Frank.