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Hier findest du alle Posts des Threads ernteameisen-nach-dem-regen.


Post 13501 -

Hallo Frank!


Auch hier wieder ein toller Bericht.


Ich tue mich da ja auch oft schwer mit dem "alles Erklärt sich durch Instinkte" gerede in den Foren. Für mich gibt es nicht nur den Menschen, auch Tiere haben "Intelligenz", wer gibt uns das Recht es anderen Lebensformen abzuschreiben? Sicher lässt sich vieles mit Instinkten erklären aber eben nicht alles, so wie in diesem Fall.


Lg, Mathias


Hallo Frank!


Auch hier wieder ein toller Bericht.


Ich tue mich da ja auch oft schwer mit dem "alles Erklärt sich durch Instinkte" gerede in den Foren. Für mich gibt es nicht nur den Menschen, auch Tiere haben "Intelligenz", wer gibt uns das Recht es anderen Lebensformen abzuschreiben? Sicher lässt sich vieles mit Instinkten erklären aber eben nicht alles, so wie in diesem Fall.


Lg, Mathias



Post 13493 -

Hallo Ameisenfreunde.


Immer wieder erlebt man bei den Freilandbeobachtungen Erstaunliches und manchmal fragt man sich wirklich, ob kleine Insekten wie die Ameisen denn wirklich nur vom Instinkt geleitet werden oder ob da nicht vielleicht doch ein bischen mehr ist. Die Beantwortung solcher Fragen muss wohl jeder für sich tun, jener, der diesen kleinen Insekten wirklich zugetan ist, ist dabei vllt. bereit, ihnen mehr als das Abspulen instinktiver, reflexartiger Verhaltensprogramme zuzutrauen.
Im Folgenden schildere ich Beobachtungen an einer tunesischen Messor-Art. Das sind Ameisen, die nicht unbedingt durch die individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten ihrer Arbeiterinnen auffallen. Die meisten Arten sind erfolgreich durch die Kooperation ihrer vielen Arbeiterinnen in den Kolonien, die gemeinsam auf manchmal sehr langen Duftstrassen in die Territorien der Nester marschieren und in gemeinsamer Arbeit die Samen von diversen Pflanzen sammeln und auch aktiv ernten, indem sie die Pflanzen erklettern und die Samenstände abernten.


Manchmal erscheinen die Messor-Arten im Freiland recht langweilig, bewegen sich die Arbeiterinnen doch relativ langsam, sind wenig agressiv, jagen nicht, keine Vergleich also zu solchen agilen Jägern wie zum Beispiel den Cataglyphis oder zu den sich vielseitiger ernährenden Camponotus-Arten in Tunesien.
Und doch, hat man Zeit und kann auch mal genauer hinschauen, macht man auch an den Messor interessante Beobachtungen und kann sich nur wundern, wie scheinbar gescheit die Ameisen ihre Probleme lösen und zu welchen pragmatischen Lösungen sie dabei fähig sind.


In der ersten Woche unseres Aufenthaltes in Tunesien in diesem Jahr gab es anhaltenden und mehrtägigen Dauerregen. Das war nicht nur für uns unangenehm, auch für die meisten Ameisen. Nicht jedoch für die Messor-Arten, diese Arten nutzten die Zeit, in der die Sonne nicht so intensiv wie normalerweise zu dieser Jahreszeit schien. Alle Messor-Arten waren sehr aktiv, alle Arten und Kolonien sendeten ihre Arbeiterinnenscharen aus, um die ersten Pflanzensamen des Sommers zu ernten. Trotzdem machte der Regen und die durchfeuchteten, aufgeweichten Böden den Ameisen zu schaffen und machte besonders die Vorratshaltung schwierig. Alle Teile der Nester waren feucht, nachdem es vier Tage geregnet hatte, auch die Kammern, in denen die Ameisen ihre Pflanzensamen eingelagert hatten. Zwar sind Messor-Arten in der Lage, die Pflanzensamen mit einer keimhemmenden Substanz aus ihrem Speichel durch Belecken und Säubern daran zu hindern, vorzeitig bzw. überhaupt zu keimen, jedoch scheint das nicht ausreichend zu funktionieren, wenn die Nester allzu feucht werden.
Am ersten sonnigen Tag nach dem Regen beobachteten wir, wie die Messor nun zu retten versuchten, was zu retten war. Viele Kolonien trugen ihre "Schätze", die Ergebnisse andauernder, fleissiger Sammeltätigkeit ins Freie, um die Pflanzensamen zu im warmen Sonnenschein trocknen. Dabei schien den Tieren ihr riskantes Tun "bewusst" zu sein, die beteiligten Arbeiterinnen waren reizbar und erregt. Immerhin bestand die Gefahr, dass irgendwelche körnerliebenden Piepmätze oder auch Fasane das Tun der Ameisen bemerkten und im Nu die Körner und Pflanzensamen wegfressen. Dagegen hätten die Ameisen natürlich wenig tun können, jedoch schien die Lage in den durchfeuchteten Nestern derart aussichtslos zu sein, dass den Ameisen nichts anderes übrigblieb, als ihre Vorräte in der Sonne zu trocknen.
So taten die Ernteameisen mit sichtbarem Zögern und grosser Nervosität, was sie tun mussten, waren dabei stets in teils ängstlicher, teils wütender Alarmbereitschaft. Sie erkannten wohl das Risko ihres ungewöhnlichenTuns, gleichzeitig aber auch die absolute Notwendigkeit. Um den Lohn langer, gefahrvoller und anstrengender Arbeit vieler Sammlerinnen nicht durch Keimen oder Vergammeln der bisherigen Ernte zu verlieren, trockneten die Ameisen ihre Vorräte im Freien.
Jeder, der Ameisen aus dem Freiland kennt und dort beobachtet hat, wird ahnen, wieviel Überwindung es die Tiere kostete, ihre grössten "Reichtümer" ungeschützt im Freien zu lagern. Hier im Freien sind all die Feinde der Ameisen anzutreffen und stets präsent, einigermassen sicher können sich die Ameisen nur in der dunklen Abgeschiedenheit ihrer Erdnester fühlen.



Nordafrikanische Ernteameisen der Gattung Messor trocknen nach mehrtägigen Regen ihre gesammelten Pflanzensamen im Freien ausserhalb des Nestes.


Natürlich kann man nun annehmen, dass dieses Verhalten ein Instinktives ist (Das machen ja auch viele Menschen "instinktiv" :lol: , sind doch gerade diese besonders klugen Menschen die Krone der Schöpfung.). Man kann für jedes Verhalten eine solche Erklärung finden, wenn man nur auf entsprechenden Abstand zum beobachteten Tier achtet und sich selbst ausreichend wichtig nimmt :yu: .
Die Ernteameisen suchten sicher also instinktiv günstige, warme und trockene Lagerplätze für die gesammelten Samen. Instinktiv aber ist auch die Angewohnheit der Ameisen (im Freiland!), ihre wertvollsten Besitztümer wie Brut und Vorräte im Dunkel der Nester zu lagern, hier in diesem Fall konkurrierten also mindestens zwei wichtige Verhaltensweisen der Ameisen. Das setzt das "Abspulen von Verhaltensprogrammen" weitgehend ausser Kraft, es mussten ungewöhnliche Lösungen für ungewöhnliche Problem gefunden werden. Die Tiere mussten also zwischen zwei bewährten Gewohnheiten "abwägen" und das Risiko einschätzen, also den möglichen Verlust der Vorräte durch Fressfeinde oder durch Keimen/Vergammeln sowie dessen Verhältnis zum möglichen Gewinn, den Erhalt und Bestand der Vorräte.


LG, Frank.


Hallo Ameisenfreunde.


Immer wieder erlebt man bei den Freilandbeobachtungen Erstaunliches und manchmal fragt man sich wirklich, ob kleine Insekten wie die Ameisen denn wirklich nur vom Instinkt geleitet werden oder ob da nicht vielleicht doch ein bischen mehr ist. Die Beantwortung solcher Fragen muss wohl jeder für sich tun, jener, der diesen kleinen Insekten wirklich zugetan ist, ist dabei vllt. bereit, ihnen mehr als das Abspulen instinktiver, reflexartiger Verhaltensprogramme zuzutrauen.
Im Folgenden schildere ich Beobachtungen an einer tunesischen Messor-Art. Das sind Ameisen, die nicht unbedingt durch die individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten ihrer Arbeiterinnen auffallen. Die meisten Arten sind erfolgreich durch die Kooperation ihrer vielen Arbeiterinnen in den Kolonien, die gemeinsam auf manchmal sehr langen Duftstrassen in die Territorien der Nester marschieren und in gemeinsamer Arbeit die Samen von diversen Pflanzen sammeln und auch aktiv ernten, indem sie die Pflanzen erklettern und die Samenstände abernten.


Manchmal erscheinen die Messor-Arten im Freiland recht langweilig, bewegen sich die Arbeiterinnen doch relativ langsam, sind wenig agressiv, jagen nicht, keine Vergleich also zu solchen agilen Jägern wie zum Beispiel den Cataglyphis oder zu den sich vielseitiger ernährenden Camponotus-Arten in Tunesien.
Und doch, hat man Zeit und kann auch mal genauer hinschauen, macht man auch an den Messor interessante Beobachtungen und kann sich nur wundern, wie scheinbar gescheit die Ameisen ihre Probleme lösen und zu welchen pragmatischen Lösungen sie dabei fähig sind.


In der ersten Woche unseres Aufenthaltes in Tunesien in diesem Jahr gab es anhaltenden und mehrtägigen Dauerregen. Das war nicht nur für uns unangenehm, auch für die meisten Ameisen. Nicht jedoch für die Messor-Arten, diese Arten nutzten die Zeit, in der die Sonne nicht so intensiv wie normalerweise zu dieser Jahreszeit schien. Alle Messor-Arten waren sehr aktiv, alle Arten und Kolonien sendeten ihre Arbeiterinnenscharen aus, um die ersten Pflanzensamen des Sommers zu ernten. Trotzdem machte der Regen und die durchfeuchteten, aufgeweichten Böden den Ameisen zu schaffen und machte besonders die Vorratshaltung schwierig. Alle Teile der Nester waren feucht, nachdem es vier Tage geregnet hatte, auch die Kammern, in denen die Ameisen ihre Pflanzensamen eingelagert hatten. Zwar sind Messor-Arten in der Lage, die Pflanzensamen mit einer keimhemmenden Substanz aus ihrem Speichel durch Belecken und Säubern daran zu hindern, vorzeitig bzw. überhaupt zu keimen, jedoch scheint das nicht ausreichend zu funktionieren, wenn die Nester allzu feucht werden.
Am ersten sonnigen Tag nach dem Regen beobachteten wir, wie die Messor nun zu retten versuchten, was zu retten war. Viele Kolonien trugen ihre "Schätze", die Ergebnisse andauernder, fleissiger Sammeltätigkeit ins Freie, um die Pflanzensamen zu im warmen Sonnenschein trocknen. Dabei schien den Tieren ihr riskantes Tun "bewusst" zu sein, die beteiligten Arbeiterinnen waren reizbar und erregt. Immerhin bestand die Gefahr, dass irgendwelche körnerliebenden Piepmätze oder auch Fasane das Tun der Ameisen bemerkten und im Nu die Körner und Pflanzensamen wegfressen. Dagegen hätten die Ameisen natürlich wenig tun können, jedoch schien die Lage in den durchfeuchteten Nestern derart aussichtslos zu sein, dass den Ameisen nichts anderes übrigblieb, als ihre Vorräte in der Sonne zu trocknen.
So taten die Ernteameisen mit sichtbarem Zögern und grosser Nervosität, was sie tun mussten, waren dabei stets in teils ängstlicher, teils wütender Alarmbereitschaft. Sie erkannten wohl das Risko ihres ungewöhnlichenTuns, gleichzeitig aber auch die absolute Notwendigkeit. Um den Lohn langer, gefahrvoller und anstrengender Arbeit vieler Sammlerinnen nicht durch Keimen oder Vergammeln der bisherigen Ernte zu verlieren, trockneten die Ameisen ihre Vorräte im Freien.
Jeder, der Ameisen aus dem Freiland kennt und dort beobachtet hat, wird ahnen, wieviel Überwindung es die Tiere kostete, ihre grössten "Reichtümer" ungeschützt im Freien zu lagern. Hier im Freien sind all die Feinde der Ameisen anzutreffen und stets präsent, einigermassen sicher können sich die Ameisen nur in der dunklen Abgeschiedenheit ihrer Erdnester fühlen.



Nordafrikanische Ernteameisen der Gattung Messor trocknen nach mehrtägigen Regen ihre gesammelten Pflanzensamen im Freien ausserhalb des Nestes.


Natürlich kann man nun annehmen, dass dieses Verhalten ein Instinktives ist (Das machen ja auch viele Menschen "instinktiv" :lol: , sind doch gerade diese besonders klugen Menschen die Krone der Schöpfung.). Man kann für jedes Verhalten eine solche Erklärung finden, wenn man nur auf entsprechenden Abstand zum beobachteten Tier achtet und sich selbst ausreichend wichtig nimmt :yu: .
Die Ernteameisen suchten sicher also instinktiv günstige, warme und trockene Lagerplätze für die gesammelten Samen. Instinktiv aber ist auch die Angewohnheit der Ameisen (im Freiland!), ihre wertvollsten Besitztümer wie Brut und Vorräte im Dunkel der Nester zu lagern, hier in diesem Fall konkurrierten also mindestens zwei wichtige Verhaltensweisen der Ameisen. Das setzt das "Abspulen von Verhaltensprogrammen" weitgehend ausser Kraft, es mussten ungewöhnliche Lösungen für ungewöhnliche Problem gefunden werden. Die Tiere mussten also zwischen zwei bewährten Gewohnheiten "abwägen" und das Risiko einschätzen, also den möglichen Verlust der Vorräte durch Fressfeinde oder durch Keimen/Vergammeln sowie dessen Verhältnis zum möglichen Gewinn, den Erhalt und Bestand der Vorräte.


LG, Frank.



Post 13499 -

Genialer Bericht Frank, mit tollen Beobachtungen! Dankeschön dafür. :)


Das Verhalten der Messor ist wirklich interessant. Die Beobachtungen, die du im Freiland gemacht hast, erklären für mich auch einige Verhaltensweisen in der Haltung. Starke Aktivität konnte ich nach dem Besprühen der Formicarien bei Messor cf. orientalis, Messor cf. aegyptiacus und Messor barbarus auch immer wieder beobachten. Die Messor drehen richtig auf, sobald sie einen simulierten Regen bekommen.
Als Halter kann man sich das Verhalten natürlich nur bedingt erklären. Wenn du dann aber aus den Freilandbeobachtungen erzählst, dass zu dieser Zeit verstärkt Körner und Samen geernet und eingetragen werden, dann erklärt sich das Verhalten für mich.


Das Körner im freien, also in der Arena, gelagert und dann eifrig beschützt werden, ist auch immer wieder zu sehen. So zum Beispiel, wenn man eine Farm neu einrichtet und der Boden noch recht feucht ist. Oder man den Ytong etwas zu sehr befeuchtet. Werden gerade Körner offen gelagert, reagieren die sonst so ruhigen und friedlichen Messor schnell gereizt auf jeden noch kleinen Eingriff in ihre Formicarien.


LG
Marcel


Genialer Bericht Frank, mit tollen Beobachtungen! Dankeschön dafür. :)


Das Verhalten der Messor ist wirklich interessant. Die Beobachtungen, die du im Freiland gemacht hast, erklären für mich auch einige Verhaltensweisen in der Haltung. Starke Aktivität konnte ich nach dem Besprühen der Formicarien bei Messor cf. orientalis, Messor cf. aegyptiacus und Messor barbarus auch immer wieder beobachten. Die Messor drehen richtig auf, sobald sie einen simulierten Regen bekommen.
Als Halter kann man sich das Verhalten natürlich nur bedingt erklären. Wenn du dann aber aus den Freilandbeobachtungen erzählst, dass zu dieser Zeit verstärkt Körner und Samen geernet und eingetragen werden, dann erklärt sich das Verhalten für mich.


Das Körner im freien, also in der Arena, gelagert und dann eifrig beschützt werden, ist auch immer wieder zu sehen. So zum Beispiel, wenn man eine Farm neu einrichtet und der Boden noch recht feucht ist. Oder man den Ytong etwas zu sehr befeuchtet. Werden gerade Körner offen gelagert, reagieren die sonst so ruhigen und friedlichen Messor schnell gereizt auf jeden noch kleinen Eingriff in ihre Formicarien.


LG
Marcel